Mitteleuropa
Mitteleuropa oder Zentraleuropa ist eine Region in der Mitte Europens.
Inhaltsverzeichnis
Religiöse Abgrenzung
Vor dem Zweiten und noch klarer vor dem Ersten Weltkrieg war Mitteleuropa religiös abgrenzbar. In Mitteleuropa war de facto fast ausschließlich die katholische und evangelische Variante des Christentums vertreten. Östlich und südöstlich traf dieser Kulturkreis auf russisch-orthodoxe und griechisch-orthodoxe Glaubensbekenntnisse bzw. auf die muslimischen der bosnisch-herzegowinischen Muslime.
Genesis des Begriffs
Der Begriff Mitteleuropa kam in der Mitte des 19. Jh. auf, als Constantin Frantz eine Föderation "Mitteleuropa“ aus Deutschland, Polen und Donauslawen vorschlug, um ein Gegengewicht zu den Großmächten Rußland und Frankreich zu schaffen. Ähnliche Ideen waren auch in der Nationalliberalen Partei verbreitet, so bei Friedrich List und Heinrich von Gagern, die ein deutsch-österreichisch geführtes Mitteleuropa von Hamburg bis Triest propagierten.
Zur selben Zeitwurde der Begriff auch in Österreich-Ungarn wichtig: als Alternative zur von vielen in Deutschland und Österreich propagierten großdeutschen Lösung, die vorsah, alle Deutschen – und nur diese – in einem Staat zusammenzufassen. In Österreich lehnte man dies mehrheitlich ab, da dies eine Zerschlagung des Pseudo-Staates Österreich-Ungarns bedeutet hätte. Die Regierung Österreichs schlug daher während der 1848er-Zeit als Alternative die großösterreichische bzw. "mitteleuropäische" Lösung der deutschen Frage vor: den Zusammenschluß Deutschlands mit ganz Österreich-Ungarn zu einem "70-Millionen-Reich".
Tatsächlich wurde 1871 das "kleindeutsche" Deutsche Reich gegründet. In der Folge kam es zu einer Aufspaltung in der Auffassung der Mitteleuropa-Idee in eine deutsche und eine österreichische Variante. Während die deutsche Variante Mitteleuropa als "den unter der Führung der deutschen Kultur zur heutigen Blüte erhobenen Erdenraum im Rahmen eines Weltbildes" sieht, so wurde aus österreichischer Sicht Mitteleuropa als ein im Rahmen der Habsburger Monarchie gewachsener Organismus gesehen.
Vor dem Ersten Weltkrieg verbanden sich mit der Mitteleuropa-Idee vor allem wirtschaftliche Ziele, so forderte Walther Rathenau die Schaffung einer mitteleuropäischen Zollunion. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges plante Theobald von Bethmann Hollweg in seinem Septemberprogramm die Gründung eines mitteleuropäischen Wirtschaftsverbandes.
Friedrich Naumann
Der liberale Politiker Friedrich Naumann veröffentlichte im Herbst 1915 das Buch "Mitteleuropa", in dem es um eine Neuordnung Europas nach dem Krieg ging. Naumann forderte einen deutsch geleiteten Staatenbund in Mitteleuropa im Anschluß an den Deutschen Bund und das HRRDN.
Naumanns Konzeption beruhte auf einem freiwilligen Zusammenschluß mitteleuropäischer Staaten mit weitgehenden Autonomierechten. Sie fanden in Deutschland ein großes Echo.
Nach dem WK 1
Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor der Begriff etwas an Bedeutung, da Europa nunmehr im Kalten Krieg in West- und Osteuropa geteilt war. Entsprechend dieser dualistischen Nomenklatur wurden die westlichen Staaten Mitteleuropas zu Westeuropa gerechnet und die östlichen Staaten zu Osteuropa. Allerdings wurde der Begriff Mitteleuropa oft und gern verwendet, wenn man die Teilung Europas in die zwei Blöcke thematisieren wollte; diese Teilung verlief durch die "Mitte Europas". Auch im Zusammenhang mit polemisierenden Slogans wie "Mitteleuropa ist ein Pulverfass" hatte dieser Begriff seine Bedeutung.
Nach Ende des Kalten Krieges diente der Begriff nunmehr der Identitätsstiftung für die im Kalten Krieg als osteuropäisch bezeichneten Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes, insbesondere für Polen, Ungarn und die Tschechoslowakei, die sich friedlich in Tschechien und die Slowakei teilte, mit dem Zerfall Jugoslawiens auch für Slowenien und Kroatien. Insofern ändert sich die politische räumliche Auffassung des Begriffes Mitteleuropa wieder zu einer größeren Ausdehnung in Richtung Osten.
Literatur, Verweise (chronologisch)
- Friedrich Naumann: Mitteleuropa. Reimer, Berlin 1915
- Georg Konrad: Antipolitik. Mitteleuropäische Meditationen. Suhrkamp, Frankfurt 1985
- Erhard Busek, Emil Brix: Projekt Mitteleuropa. Ueberreuter, Wien 1986
- Martin Möller: Die Zeitschrift für Geopolitik. Berlin 1987
- Jürgen Elvert: Mitteleuropa! Deutsche Pläne zur europäischen Neuordnung (1918–1945) (= Historische Mitteilungen. Beiheft. 35). Steiner, Stuttgart 1999
- Oskar Kreitschi: Geopolitics of the Central European Region. The view from Prague and Bratislava. Bratislava: Veda, 2005. 494 Seiten
- Günter Lehmann: Mitteleuropa. Handbuch zur Geschichte. Historisches Geschehen nach Zeittafel von 0001 bis 2000. Mecklenburger Buchverlag, Neubrandenburg 2009
Verweise
Einzelnachweise