Maistre, Joseph de
- Joseph Marie, Comte de Maistre
- * 1. April 1753 in Chambéry
- † 26. Februar 1821 in Turin
Joseph de Maistre war ein savoyischer Schriftsteller und Philosoph.
Inhaltsverzeichnis
Rezeption
Joseph de Maistre war der führende Theoretiker der Gegenrevolution, der die Französische Revolution kompromißlos ablehnte und bekämpfte. Er proklamierte keine simple Rückkehr zu den vorrevolutionären Verhältnissen, sondern eine Neugestaltung durch Gegenrevolution - die Revolutionierung der Revolution. De Maistre gilt als einer der Väter der Soziologie. Er war Vordenker des modernen Katholizismus und der Unfehlbarkeit des Papstes. Unter anderen haben sich Tolstoi, Isaiah Berlin, Emil Cioran und Aimé Césaire mit seinem Werk auseinandergesetzt.
Zitate
- Millionen von Menschen können nur durch Religion oder Sklaverei regiert werden.
- Die monarchische Regierung ist jene, die am besten ohne die Geschicklichkeit des Herrschers auskommt. Darin liegt vielleicht ihr wesentlichster Vorzug.
- Nous ne voulons pas la contre-révolution, mais le contraire de la révolution.
Leben
Als die Franzosen Savoyen besetzten, emigrierte er 1793 in die Schweiz nach Losanen. Er wurde als offizieller Repräsentant des Königreichs Sardinien für Rußland nach St. Petersburg entsandt.
Freimaurer
1774 trat Joseph de Maistre der Freimaurerloge Trois mortiers in Chambéry bei und wechselte dann in die rektifizierte Schottische Maurerei von Willermoz in Leiden/Burgund. 1779 war er Gründungsmitglied von Le collège particulier de Chambéry, dem er unter dem Pseudonym Josephus a Floribus angehörte. Er war Mitglied einer Freimaurerloge, die 1749 nach dem Vorbild der Großloge von England als eine der ersten kontinentaleuropäischen Freimaurerlogen in Paris entstand.
1793 verteidigte er die Freimaurerei in einem Mémoire an Vignet d’Etoles gegen Vorwürfe, die wegen der Französischen Revolution gegen sie erhoben wurden. In seinen „Mémoires pour servir à l’histoire du Jacobinisme“ verteidigte er die Freimaurerei gegen den Vorwurf, sie sei für alle Taten der Französischen Revolution verantwortlich. Darin unterschied er zwischen unpolitischen Freimaurern, französischen Martinisten und den Illuminaten.
Diese Unterscheidung ist aber unhaltbar. De Maistres Freimaureei stellt einen schweren Makel auf seiner Biographie dar.
Lehre
Joseph de Maistre, dessen politische und weltanschauliche Positionen geprägt durch die Schriften Edmund Burkes sind, ist zusammen mit Louis de Bonald der Hauptvertreter der Reaktion auf die Französische Revolution. Er stellt dem Rationalismus des 18. Jahrhunderts den Glauben und ungeschriebene Gesetze gegenüber und faßt die Gesellschaft als organische Realität auf. De Maistre erweist sich als dezidierter Kritiker der Gesellschaftstheorie Jean-Jacques Rousseaus: Während der Aufklärer alle Formen sozialer Ungleichheit bemängelt und ein Verfechter der Idee der Volkssouveränität ist, präsentiert sich de Maistre als Propagandist einer hierarchischen Sozialgliederung und Apologet einer göttlich legitimierten monarchischen Alleinherrschaft.
Nicht nur Rousseaus Thesen, sondern auch diejenigen der anderen „philosophes“ der Aufklärung bilden die theoretische Grundlage für den Terror der Französischen Revolution. Der „terreur“ ist die logische Konsequenz der Revolution. Wer die Freiheit und das Tugendideal der Gleichheit über alles stellt, muß mit Notwendigkeit alles bekämpfen, was der Verwirklichung dieser Utopie widerspricht. Wer die Freiheit zum obersten Gesetz der politischen Ordnung erklärt, muß alle Traditionen und sozialen Gefüge, die den Einzelnen tragen und prägen, unweigerlich in Frage stellen. Damit werden aber auch alle Fundamente zerstört, die sinnstiftend wirken und Stabilität garantieren.
In einer Demokratie ist niemals das Volk der Souverän, sondern das Geld. Ideologischer Kitt ist die öffentlichen Meinung, die eine weit größere Rolle spielen als die von den „philosophes“ gepriesene Vernunft. Zudem entscheidet sowieso nie der Einzelne, in welcher Staatsform er leben möchte. Selbst gewählt an den Staatsformen, in denen Menschen leben, ist in aller Regel so gut wie nichts. Es existiert kein auf rein freiwilliger Gemeinschaft begründeter Staat.
Monarchien bilden nicht nur die ehrlicheren Herrschaftsformen, sie sind jeder Art von fadenscheiniger Demokratie auch zeitlos überlegen. Entsprechend besitzen auch die klare, straffe Organisation der katholischen Kirche und selbst despotische orientalische Machtverhältnisse gegenüber allen Versuchen, dem Volk vorzugaukeln, es könne mitreden, nur Vorteile. Mit der „Orakelherrschaft der Vernunft“ muß es möglichst schnell wieder ein Ende haben. Der Haß gegen die Autorität ist die Plage unserer Tage, das Heilmittel gegen dieses Übel liegt nur in den heiligen Maximen, die man Euch vergessen gemacht hat. Gott und König sind unumgängliche Pfeiler einer jeden tragfähigen Ordnung. Auch die Inquisition war höchst notwendig. Die Schriften der Aufklärer hätte man verbieten müssen. Hätte die Zensur noch wie früher funktioniert, wäre es so weit erst gar nicht gekommen. „Die französische Regierung hat sich großen Schaden zugefügt, indem sie zu sehr die Augen vor solchen Ausschweifungen verschloß. Es hat sie den Thron und den unglücklichen Ludwig XVI. das Leben gekostet.“
Der Glaube an die Segnungen der Wissenschaften und der Künste ist eine Narretei, da es nicht darauf ankommt, daß ein Volk immer klüger und belesener wird und bei allem mitreden kann, sondern daß das Zusammenleben möglichst reibungslos funktioniert. Die Geschichte hat bewiesen, daß „wissenschaftliche“ Erkenntnisse, bedeutende Kunst und große Architektur keineswegs unter demokratischen Bedingungen zustande gekommen sind. Die Künste brauchen einen König. Sie erstrahlen nur unter dem Einfluß des Zepters, heißt es in seiner Schrift „Von der Souveränität“. In einer Demokratie, so de Maistres Argument, hätte es keinen Michelangelo gegeben, und wir besäßen dann auch nicht den Louvre und die Gärten von Versailles und auch nicht die vielen Opern, die ohne Rücksicht auf den Geschmack des Volkes für die Hoftheater entstanden sind.
In seinem Werk „Considérations sur la France“ schreibt er: „Ich bin kein Franzose, ich war nie einer und ich möchte auch keiner sein.“ Mit einem Land, das mit allen althergebrachten Ordnungen zu brechen versuchte und in dem während der Revolution ein Tugendterror gepredigt wurde, der zu Massenhinrichtungen führte, wollte er nichts mehr zu tun haben.
Werke
- De la souveraineté du peuple, 1794. Dt.: Von der Souveränität. Ein Anti-Gesellschaftsvertrag. Berlin: Kulturverl. Kadmos, 2002 (leider dilettantisch übersetzt.)
- Lettres d’un royaliste savoisien à ses compatriotes, 1794
- De l’État de nature ou Examen d’un écrit de Jean-Jacques Rousseau sur l’inégalité des conditions, 1795
- Considérations sur la France, 1796. Dt.: Betrachtungen über Frankreich. Über den schöpferischen Urgrund der Staatsverfassungen. Berlin 1924
- Du Pape, 1819. Dt.: Vom Pabst. Aus dem Französischen übersetzt von Moriz Lieber. 2 Bdd., Frankfurt a. M., Andrä 1822. Von der Gallicanischen Kirche in ihrem Verhältnisse zu dem Kirchen-Oberhaupte. Fortsetzung des Werkes Vom Papst. Frankfurt a.M. Andräische Buchhandlung 1823
- Les Soirées de Saint-Pétersbourg ou Entretiens sur le gouvernement temporel de la Providence und Traité sur les Sacrifices, posthum 1821. Dt.: Abendstunden zu St Petersbung oder Gespräche über das Walten der Göttlichen Vorsicht in zeitlichen Dingen. Und Anhang Über die Opfer. 2 Bdd. Frankfurt am Main 1824-1825
- Lettres à un gentilhomme russe sur l’inquisition espagnole, posthum 1822
- Examen de la philosophie de Bacon, posthum 1836
- Die spanische Inquisition
- Über das Opfer
- Über den schöpferischen Urgrund der Staatsverfassungen. Versuch über Ursprung und Wachstum der politischen Konstitutionen und anderer menschlichen Einrichtungen