Jarcke, Karl
Karl Ernst Jarcke war ein Jurist und politischer Publizist. Er bekämpfte die Veröffentlichungen des Jungen Deutschlands und analysierte in genialer Weise die Revolution von 1830.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Karl Ernst Jarcke stammte aus Danzig. Er absolvierte eine Kaufmannslehre, bevor er die Hochschulreif erwarb und in Bonn und Göttingen Jura studierte. Er habilitierte sich in Bonn und übernahm dort eine Professor in Bonn. Seit 1824 wirkte er als Rechtsanwalt und Stadtrichter in Köln.
Im Jahre 1825 trat er zum katholischen Glauben über. In demselben Jahre wurde Jarcke als außerordentlicher Professor für Strafrecht an die Universität Berlin berufen. In Berlin wurde Jarcke auch in die Kommission zur Überarbeitung des preußischen Landrechtes berufen, wo er die Abschnitte über Kirche, Religion, Ehe und Sitte bearbeitete.
Mit Ernst Ludwig von Gerlach begründete Jarcke das "Berliner Politische Wochenblatt", welches ab dem 8. Oktober 1831 erschien. Zweck der Zeitschrift war der Kampf gegen die revolutionäre und nationale Bewegung. Jarcke zeichnete als erster Redakteur der Veröffentlichung. Die Zeitschrift wurde das führende Organ der auf die Wiederherstellung des christlichen Staates abzielenden preußischen Konservativen. 1832 wechselte Jarcke nach Wien.
Tätigkeit in Wien
1832 wurde Jarcke an Gentz' Stelle nach Wien berufen, wo er als Rat in die Hof- und Staatskanzlei eintrat und zugleich die Erziehung der Prinzen von Nassau leitete. Auch schrieb er im Interesse der österreichischen Regierung für den "Österreichischen Beobachter" und die Augsburger "Allgemeine Zeitung"
1837 gab Jarcke seine Mitarbeit im Zusammenhang mit dem Streit um die kölner Mischehen auf, da die übrigen Herausgeber sich auf die borussische Seite schlugen, er aber die katholische Linie vertrat.
1838 gründete Jarcke gemeinsam mit Phillips und Görres in München die "Historisch-politischen Blätter für das katholische Deutschland". Josef von Eichendorff regte er an, eine Literaturgeschichte aus katholischer Sicht zu verfassen.
In der Revolte von 1848 zog sich Jarcke nach München zurück. Nach deren Ende begab er sich 1850 wiederum nach Wien, wo – was zum Teil auch auf seine Bemühungen zurückzuführen war – am 19. April 1850 die staatlichen Einschränkungen der Kirche des Josefinismus aufgehoben worden waren.
Nun widmete er sich literarischen Arbeiten. Er starb am 28. Dezember 1852 nach langer Krankheit in Wien und liegt auf dem Friedhof von Maria Enzersdorf südlich von Wien begraben.
Werke
Die Französische Revolution von 1830
Nach der Julirevolution 1830 in Frankreich veröffentlichte Jarcke eine tiefgründige Analyse derselben. Die Revolution kehrt die göttlich legitimierte und geschichtlich gewachsene Ordnung um und bedroht Europa als ganzes.
Jarcke weist darauf hin, daß die Keime zur Revolution schon in der Verfassung von 1815, der s.g. "Charte" und ihrem Repräsentativsystem zu suchen sind, die "in unbegreiflicher Verblendung" erlassen worden war. Diese Charte selbst habe die Revolution geschaffen. Doch war dadurch die Revolution nicht gerechtfertigt. Karl hatte die Pflicht, alle Maßregeln zu ergreifen, um seinen Thron zu sichern. Die Gefahr für Thron und Verfassung war real.
Der König war in einer Lage, in welcher er sich nur durch ein außerordentliches Mittel vor dem sicheren Untergang retten konnte: Die Revolutionäre, die angeblich die Charte haben schützen wollen, vernichteten den Staat, sobald sie dazu in der Lage waren.
Die Julirevolution wuchs sich zu einer Katastrophe für Europa aus. Ursache der Revolution waren nicht einzelne Beschwerden, sondern der der revolutionäre Geist, das Leugnen einer "göttlichen und dem Menschen geoffenbarten, historisch fortgepflanzten, ewig wahren Lehre, in welcher alle wahre Religion und Moral enthalten ist, an welche alle menschliche Wissenschaft, wie an einen höchsten Vereinigungspunkt sich anschließen, auf welcher alle Staatsverbindung und menschliche Gesellschaft, wie auf einem notwendigen Fundamente beruhen muß. … Das Leugnen dieser Basis, ohne welche das menschliche Geschlecht nicht bestehen kann, steht in natürlicher Verbindung mit dem Erheben der isolierten Vernunft zur alleinigen Quelle der Wahrheit und höchsten Autorität."
Sand's Mord an Kotzebue
In der Schrift zum Kotzebue-Mord verurteilt Jarcke die gegen die milde Restaurationspolitik nach den Befreiungskriegen gerichtete deutsche Nationalbewegung. Er stellte fest, daß diese revolutionäre Bewegung auch den politischen Mord als Mittel und Zweck benutzt und daher mit der Gefahr der Revolution gleichzusetzen sei.
Zitate von Treitschke
- Der ersten Generation der Burschenschasft gehörten … viele Männer an, welche späterhin eine streng konservative Richtung einschlugen, so Leo, Stahl, W. Menzel, Jarcke, Hengstenberg. Im großen Durchschnitt sind aus der Burschenschaft mehr Gelehrte und Schriftsteller hervorgegangen, aus den Reihen ihrer späteren Gegner, der Korps, mehr Staatsmänner.[1]
- In Bonn scharrte sich ein kleiner, streng klerikaler Kreis um den geistreichen Arzt und Naturphilosphen C. J. H. Windischmann zusammen, hier empfing der junge Danziger Jurist K. E. Jarcke unvergeßliche Eindrücke, die … ihn zum Übertritt in die römische Kirche bewogen.[2]
- Bei der liebenswürdigen Konvertitin Henriette Mendelssohn kamen Jarcke, Phillips und andere strenge Ultramontane zusammen, deren Einfluß am kronprinzlihcen Hofe schon zuweilen fühlbar wurde.[3]
- Jarckes Schrift über Sand - eine scharfsinnige und stoffreiche kriminalistische Untersuchung.[4]
- Die Herausgabe [des Berliner Politischen Wochenblatts] übernahm Karl E. Jarcke, jener junge Jurist, der unlängst in Bonn zur katholischen Kirche übergetreten war und soeben in einer hochlegitimistischen Schrift über die französische Revolution von 1830 sein ungewöhnliches politisches Talent bewährt hatte.[5]
- Von dem russischen Gesandten Ribeaupierre erhielt Jarcke häufig wertvolle Mitteilungen. Kirchlichen Fragen ging er behutsam aus dem Wege; er wußte, daß er seine ultramontanen Hintergedanken in Berlin nicht offen aussprechen durfte. Der König traute ihm nur halb und ließ sich trotz der beständigen Fürbitten des Kronprinzen, Allensteins, Schmeddings nie bewegen, dem Konvertiten einen ordentlichen Lehrstuhl zu übertragen. Als Jarcke im November 1832 in die Stelle des verstorbenen Gentz nach Wien berufen wurde, folgte er dem Rufe mit Freuden; dort in der katholischen Luft konnte sich sein Talent freier entfalten und seine fortdauernde Verbindung mit dem Wochenblatt wurde jetzt, seit er Metternichs Weisungen empfing, nur um so bedeutsamer.[6]
- Metternich ließ es sich wohl gefallen, daß statt des Kantianer Gentz der Renegat Jarcke das Szepter schwang unter den Publizisten der Hofburg.[7]
- Heine hatte mit Menzel und Jarcke in der Bonner Burschenschaft zusammengelebt.[8]
- Der Münchener ultramontane Kreis – gewann mmittlerweise einen mächtigen Zuwachs an dem gelehrten Rehctshistoriker Philipps, einem Königsberger von englischer Abstammung, der gleich seinem Freunde Jarcke zur römischen Kirche übergeterten war und seinen Fanatismus hinter seinen gesellschaftlichen Formen zu verbergen wußte.[9]
- Jarcke in Wien betrieb die Denunziation [von Hermes (!!!)] mit dem fanatischen Eifer des Konvertiten, die Wiener Redemptoristen stellen sogleich eine Reihe ketzerischer Sätze aus Hermes' Schriften zusammen. Dann bereiste Jarcke das Rheinland um neue Beweismittel gegen die Bonner Theologenschule zu sammeln, er beredete seinen Gönner Metternich, die Anklage in Rom durch den Gesandten Graf Lützow, der auch zu der klerikalen Schar der evangelischen Renegaten gehörte, insgeheim zu unterstützen. Die Hände des Wiener Hofpublizisten ließen sich überall spüren; er gab in diesen Jahren dem Erbprinzen von Nassau politischen Unterricht und mit solchem Erfolge, daß die Heimat der protestantischen Oranier nachher für lange Zeit den klerikalen Einflüssen verfiel.[10]
- Unterdessen sah sich Jarcke genötigt, auf die Teilnahme am Berliner politischen Wochenblatt zu verzichten.[11]
- Die giftigen Artikel der Allgemeinen Zeitung "vom Main" flossen meist aus den Federn der beiden Wiener Hofpublizisten Zedlitz und Jarcke; der Bundesgesandte Graf Dönhoff wußte dies wohl und meinte traurig: So wird es schwer sein, an ein wahres, aufrichtiges Zusammenwirken von Wien und Berlin zu glauben.[12]
- Das Berliner Politische Wochenblatt ging zu Neujahr 1842 ein. … Seit ihr rührigster Mitarbeiter Jarcke infolge des Kölner Bischofsstreites sich zurückzog, verlor sie Geist und Leben.[13]
- Als die beiden ältesten, noch sehr jugendlichen Söhne des Großherzogs 1843 den Wiener hof besuchten, da sollte Jarcke als politischer Lehrer für sie angeworben werben. Ihr Begleiter aber erkundigte sich zunächst bei dem preußischen Gesandten Kanitz, der Preuße schenkte ihm reinen Wein ein und erklärte es für durchaus unziemlich, die Erziehung protestantischer Prinzen diesem Konvertiten anzuverterauen.[14]
Bibliografie
- 1822: "Commentatio de summis principiis juris rom. de delictis eorumque poenis, inprimis de notione et fine poenarum, de natura et quantitate delict. atque de adplicat. legum poenalium" (Göttingen 1822 [Bonn, Weber], 4°. maJarcke); für diese Abhandlung erhielt er den von der kön. hannover’schen Regierung ausgeschriebenen akademischen Preis und am 3. August 1822 die juridische Doctorwürde
- 1824: Versuche einer Darstellung des Censor. Strafrechtes der Römer. Beiträge zur Geschichte des Criminalrechtes. Bonn 1824, Weber, gr. 8°
- 1825: "Bemerkungen über die Lehre vom unvollständigen Beweise in Bezug auf ausserordentliche Strafen" (Halle 1825, Schwetschke, 8°.), Sonderabdruck aus dem 8. Bande des "Neuen Archivs des Criminal-Rechtes"
- 1826: Ueber die spätere Geschichte des deutschen Strafprocesses mit Rücksicht auf Preussen. Halle 1826, 8°, auch Sonderabdruck aus dem 9. Bande des "Neuen Archivs des Criminal-Rechtes"
- 1827: "Handbuch des gemeinen deutschen Strafrechtes mit Rücksicht auf die Bestimmung der preussischen, österreichischen, baierischen und französischen Strafgesetzgebung". 3 Bände (Berlin 1827–1830, Dümmler, gr. 8°.) (Nachdr. der Ausg. Berlin, 1827–1830 Keip, Goldbach 1996)
- 1829: Die Lehre von der Aufhebung der Zurechnung durch unfreie Gemüthszustände. Zum Gebrauch für Richter und Gerichtsärzte. Berlin 1829, Dümmler, gr. 8°
- 1831: Karl Ludwig Sand und sein an Kotzebue verübter Mord. Eine psychologisch-criminalistische Erörterung aus der Geschichte unserer Zeit" (Berlin 1831, [98] Dümmler, 8°.)
- 1831: [[Julirevolution 1830 (Jarcke)|Die Französische Revolution von 1830. Berlin 1831]] historisch und staatsrechtlich beleuchtet in ihren Ursachen, ihrem Verlaufe und ihren wahrscheinlichen Folgen. Berlin 1831, Dümmler, gr. 8°
- 1833: Ueber die austrägalgerichtliche Entscheidung der Streitigkeiten unter den Mitgliedern des deutschen Bundes. Wien 1833, 8°
- 1834: Die ständische Verfassung und die deutschen Constitutionen. Leipzig 1834
- 1839: Vermischte Schriften" 4 Bände (München 1839–1854, Lit.-art. Anstalt, 8°.), diese enthalten seine bedeutendsten, vorher in den "Politisch-historischen Blättern für das katholische Deutschland" abgedruckten publicistischen Aufsätze, der letzte Band – von seinem Freunde G. Philipps nach Jarcke’s Tode herausgegeben – auch besonders unt. d. Tit.: "Principienfragen. Politische Briefe an einen deutschen Edelmann nebst gesammelten Schriften. Paderborn 1834, Schöningh, 8°.
- Prinzipienfragen. Politische Briefe an einen deutschen Edelmann nebst gesammelten Schriften
- Studien und Skizzen zur Geschichte der Reformation.
Auch schrieb Jarcke die Vorrede zu „Theodor Schmalz: Wissenschaft des natürlichen Rechts“ (Leipzig 1831).
Jarcke’s irdische Überreste ruhen auf dem Gottesacker von Maria Enzersdorf am Gebirge, nächst Wien, wo auch Buchholtz, Klemens Maria Hofbauer, Klinkowström, Adam Heinrich Müller und Zacharias Werner bestattet sind.
Die nach Jarcke’s Tode erschienene Schrift: "Principienfragen. Politische Briefe an einen deutschen Edelmann nebst gesammelten Schriften von Carl Ernst Jarcke" (Paderborn 1854, Schöningh, 8°.), enthält auch seinen Nekrolog.
- Deutsches Staats-Wörterbuch. In Verbindung mit deutschen Gelehrten herausgegeben von Dr. Jarcke C. Bluntschli und K. Brater (Stuttgart 185., gr. 8°.) Bd. V, Artikel von K. Böhm. – Katholische Blätter aus Tirol. Redigirt von M. Huber (Innsbruck, Wagner, 8°.) Jahrg. 1853, Bd. I, Nr. 1, S. 19. – Philipps (Georg), Vermischte Schriften (Wien 1855, Braumüller, 8°.) Bd. II, [Zu Ende dieses Bandes widmet Ph. drei Aufsätze dem Andenken seiner Freunde Joseph und Guido von Görres und Jarcke.]
- Conversations-Lexikon der neuesten Zeit und Literatur (Leipzig 1833, Brockhaus, gr. 8°.) Bd. II, S. 576
- Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. III, S. 22, und Bd. VI, Suppl, S. 498
- Brockhaus’ Conversations-LexikonConversations-Lexikon]], 10. Auflage, Bd. VIII, S. 423 [nach diesem geb. 1799, gest. 28. Dec. 1852]
- Wigand’s Conversations-Lexikon (Leipzig, Otto Wigand, gr. 8°.) Bd. VII, S. 168
- Meyer (Jarcke), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliogr. Institut, gr. 8°.) Bd. XVI, S. 1189 [nach diesem geb. 1799]; IV. Suppl. Bd. S. 68 [nach diesem gest. 28. Dec. 1852]
- Gottschall (Rudolph), Die deutsche National-Literatur in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts (Breslau 1855, Trewendt und Granier, 8°.) Bd. I, S. 235
- Menzel (Wolfgang), Die deutsche Literatur (Stuttgart 1836, Hallberger, 8°.) Zweite verm. Aufl. Bd. II, S. 231
- Laube, Heinrich: Geschichte der deutschen Literatur (Stuttgart 1840, Hallberger, gr. 8°.) Bd. IV, S. 90
- Blätter für literarische Unterhaltung (Leipzig, Brockhaus, 4°.) 1839, Nr. 237–240
- Oesterreichischer Parnaß, bestiegen von einem heruntergekommenen Antiquar (Frey-Sing [Hamburg, Hoffmann u. Campe], Atanasius u. Comp., 8°.) S. 24[15]
- Sein Porträt befindet sich vor dem nach seinem Tode herausgegebenen Werke: "Principienfragen"
Verweise
Einzelnachweise
- ↑ II, 416
- ↑ III, 208
- ↑ II, 419
- ↑ III, 737
- ↑ IV, 199
- ↑ IV, 200
- ↑ IV, 332
- ↑ IV, 431
- ↑ IV, 622
- ↑ IV, 678
- ↑ IV, 703
- ↑ V, 188
- ↑ V, 197
- ↑ V, 661
- ↑ Der Pamphletist im "Oesterreichischen Parnaß" entwirft in bekannter – er meinte wohl selbst in pikanter – Weise [vergl. die Biographie Uffo Horn’s, Bd. IX, S. 296: "VI. Zur literarischen Charakteristik Uffo Horn’s"] Jarcke’s Silhouette: "Große, kalte, gemessene Haltung, artiges Aeußere, schweigsam, korrekter Stylist, ohne Glanz, bloß der Schatten seines Vorgängers Gentz, mehr guter Wille als Kraft zu verfinstern. Referent der Augsburger allgemeinen Zeitung. In Oesterreich übrigens ohne publizistischen Einfluß, aber sonst sehr heuchlerisch (!) und verkäuflich (!!), riecht nach schändlicher Hierarchie (!) und privilegirter Kämpe für den österreichischen Absolutismus."