Die Kastration eines Königs

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"Die Monarchien wurden abgeschafft. Und selbst dort, wo sie nominell beibehalten wurden, so in Großbritannien, Spanien, Belgien, Niederlande und Skandinavien, üben die Monarchen keine Herrschaftsgewalt mehr aus." Hans-Hermann Hoppe: Democracy: The God that Failed.


Im vergangenen Februar machte König Karl XVI. Gustav von Schweden einen offiziellen Besuch im Sultanat Brunei. Zwei Monarchen trafen sich. Dies scheint nicht besonders interessant zu sein, doch auf den zweiten Blick wird es interessanter. Der schwedische König ist einer der machtlosesten Monarchen der Welt, vielleicht der machtloseste. Er wünscht Brunei einen offiziellen Besuch abzustatten. Das schwedische Kabinett entscheidet über diesen Wunsch. Das Kabinett akzeptiert. Der König besucht Brunei auf der gleichen Reise, auf der er Vietnam besucht, ein Land, mit dem die schwedischen Sozialisten gute Beziehungen zu unterhalten wünschen.

Die heutigen Monarchen Europas sind wie König Karl Gustav nicht viel mehr als Aushängeschilder. Immerhin verfügen sie noch über eine gewisse formelle, vorbehaltende und beratende Macht. In Großbritannien kann kein Gesetz in Kraft treten, das die britische Königin nicht unterzeichnet hat. Die Königin ernennt das Kabinett des Vereinigten Königreichs und die Gouverneure weltweit.

Der König von Norwegen verfügt über ein aufschiebendes Veto bei bestimmten Akten des Parlamentes. Er selbst trifft sich mit dem Kabinett Norwegens an jedem Freitag um 11 Uhr. Nur auf diesen Treffen kann das Kabinett wichtige Entscheidungen treffen. Ohne den König kann das Kabinett keine Entscheidungen treffen. Die Politiker genießen gute Ratschläge, kritische Fragen, die sie zum Nachdenken anregen, doch letzten Endes können Sie das tun, was sie für richtig halten. In ganz Europa sind die Rechte der Monarchen auf formelle, aufschiebende und beratende Akte beschränkt. Liechtenstein und Monaco entsprechen dieser Regel in eingeschränkter Weise.

Der König von Schweden wirkt bei der Ernennung des Kabinetts nicht mit und er verfügt über kein Veto bei irgend einem Akt des Parlaments. Im allgemeinen trifft er mit dem Kabinett nicht zusammen. Gelegentlich präsidiert er dem Kabinett, bei informellen Terminen etwa oder bei einem Kabinettswechsel. Er ernennt die Botschafter Schwedens formell, er selbst ist Schwedens vornehmster Botschafter. Dies entspricht dem internationalen Recht, das verlangt, das Botschafter von dem Staatsoberhaupt ernannt und empfangen werden.

Er hat einige weitere repräsentative und formale Pflichten. Die meisten Schweden meinen auch, daß er lediglich der vornehmste Botschafter sein möge. Mit lediglich formalen Befugnissen wie die Ernennung von Botschaftern und die Herrschaft über das Königshaus, letztere mit den Politikern geteilt, ausgestattet kann man vom schwedischen König kaum sagen, daß er mit denjenigen Reservatrechten ausgestattet ist, von denen nicht wenige moderne Monarchisten sagen, daß sie in modernen Demokratien essentiell sind, wo ambitionierte Politiker eine potentielle Gefahr darstellen. Hitlers Aufstieg zur Macht ist wohl das am häufigsten genannte Beispiel dessen, was durch ein starkes Bollwerk aufgehalten werden muß. Man kann keine Verfassung schützen, ohne über die dazu notwendigen Mittel zu verfügen.

König Karl XVI. Gustav erhält Informationen über die Staatsangelegenheiten. So verfügt er über eine ausreichende Informationsbasis um die Politiker zu beraten, die er trifft. In Britannien und in Norwegen halten die Monarchen mit den Premierministern Konferenzen ab, die für Ratgebung ganz gut geeignet sind und die wenigstens bis zu einem gewissen Ausmaß das auf kurze Fristen ausgelegte Denken eines normalen Durchschnittsdemokraten ausbalancieren kann. Walter Bagehot erklärte in "Die Englische Verfassung“:

"Um es kurz zu sagen, - in einer konstitutionellen Monarchie wie der unseren verfügt der Monarch über drei Rechte: Das Recht konsultiert zu werden, das Recht, zu ermutigen, das Recht zu warnen. Ein König von Stil und Klugheit würde nicht mehr beanspruchen. Er würde wissen, daß er gerade die eingeschränkten Rechte mit größtem Effekt einsetzen kann. Er würde etwas Folgendes zu seinem Minister sagen: "Sie sind für diese Maßnahmen verantwortlich. Was Sie denken, das muß getan werden. Was Sie für das Beste erkennen, das hat meine volle und effektive Unterstützung. Aber Sie werden erkennen, daß aus bestimmtem Grunde Ihre Vorschläge schlecht sind und daß aus bestimmten Gründen das, was Sie nicht vorschlagen, besser ist. Ich trete Ihnen nicht entgegen weil es nicht mein Recht ist, doch nehmen Sie zur Kenntnis, daß ich warne.“ Angenommen, daß der König Recht hat und daß er, wie bei Königen häufig, in der Lage ist, sich geschickt auszudrücken, könnte er in der Lage sein, den Minister umzustimmen. Und auch wenn es nicht gelingt, könnte er die Gedanken des Ministers lenken.“

In Norwegen gibt es, wie gesagt, die wöchentlichen, vom Monarchen geleiteten Kabinettssitzungen. Auch in Schweden gibt es eine gute Basis für eine beratende Rolle des Monarchen, selbst wenn eine solche Rolle in der Verfassung nicht vorgesehen ist. Die schwedische Art der politischen Korrektheit läßt allerdings wenig Raum für eine derartige Rolle. Es scheint, daß die Phrase "er sollte sich nicht in die Politik einmischen“ in Schweden am Weitesten ausgelegt wird. Hinzu kommt, daß ohne die formale Position eines "Vorgesetzten“ der gute Rat nicht die gleiche Wirkung erzielen kann. Walter Bagehot schreibt in seiner "Englischen Verfassung“:

"Der König genießt denselben Vorteil, den ein beamteter Staatssekretär gegenüber einem parlamentarischen Staatssekretär genießt. Ein mit Autorität ausgestatteter Mann kann die Einwände von Untergebenen leicht entkräften. Ein Minister geht so mit seinen Untergebenen um, - mit einem König kann er so nicht umgehen. Die soziale Macht anerkannter Autorität, mit der er seinen Sekretär in die Schranken weist, wirkt nun nicht für ihn, sondern gegen ihn.“

Der schwedische demokratische Egalitarismus ist so weit gegangen, den König unter die Bürger einzureihen. Der König ist in die Wählerregister eingetragen. Doch nimmt er nicht an Wahlen teil. Gewissermaßen stellt es eine Ironie der Geschichte dar, daß der schwedische König in so extremen Maße entmannt ist. Denn das Königshaus von Schweden ist das Haus Bernadotte. König Karl XIV. Johann wurde als Jean-Baptiste Bernadotte geboren, der ein französischer General war und eine Kind der Französischen Revolution, der Wiege der modernen Demokratie. Er wurde im Jahre 1810 zum Kronprinz von Schweden ernannt um Nachfolger des kinderlosen Königs Karl XIII. zu werden.

Der Sultan von Brunei wird oft als "absoluter Monarch“ beschrieben. Die letzten Wahlen gab es in Brunei im Jahre 1962. Und was ist schlecht daran? Wir sehen tagtäglich, was im Westen geschieht, wo wir über die "Segnungen“ demokratischer Wahlen verfügen. Bin ich diesbezüglich zu harsch? Montesquieu hatte mit seiner Wertschätzung der britischen gemischten Regierungsform nicht ganz Unrecht.

Nun ja, der kastrierteste Monarch der Welt, ein Repräsentant der demokratischen Monarchie und ein absoluter Monarch trafen sich. Innerhalb der heutigen Monarchen der wohl größtmögliche Unterschied. Das sollte man nicht vergessen in der heutigen Welt ideologischer Konformität und globaler Demokratie. Der Sultan von Brunei ist vielleicht kein Engel, doch sollte man ihn nicht als Teufel anschwärzen, nur weil er keine Wahlen abhält.

Wenn Hans-Hermann Hoppe jemals den Preis für Wirtschaftswissenschaften der Bank von Schweden in Erinnerung an Alfred Nobel (etwas ähnliches wie der Nobelpreis) erhielte, er nähme ihn aus der Hand des Königs von Schweden entgegen. Dies wäre doch ein netter Kontrast und vielleicht mehr, - ein Ökonom, der die Monarchen alten Stils höher schätzt als moderne Demokratien, erhielte den geschätzten Preis aus der Hand des Monarchen, der als der entmannteste des Planeten gilt.

Der Staatsbesuch des Königs in Brunei wäre ohne großes Aufsehen in Skandinavien vorübergegangen, hätte Seine Majestät, der König von Schweden nicht eine Meinungsäußerung abgegeben: "Brunei ist ein Land, das offener ist, als mancher sich vorstellt.“ Nun ist das Sultanat Brunei eine absolut undemokratische Monarchie und deshalb darf man keine netten Sachen über dieses Land sagen. Sofort entstand unter den schwedischen Politikern Aufruhr. Der vornehmste Repräsentant Schwedens darf so etwas nicht sagen. Schweden ist eine Demokratie und repräsentiert das Gute. Brunei ist eine absolute Monarchie und repräsentiert also das Böse. Wir sehen hier eine Variante des Slogan der Farm der Tiere: "Vier Beine gut, zwei Beine schlecht.“

Unmittelbar nach der Rückkehr Seiner Majestät nach Schweden verlangte der Premierminister eine Konferenz. Der Premier besuchte den König im Königspalast in Stockholm. Seine Majestät bedauerte die Äußerung und man machte sich daran, die Routine von Staatsbesuchen zu verändern. Einige Tage später wurde entschieden, daß Seine Majestät in Zukunft stets von einem Kabinettssekretär begleitet werden würde, daß heißt, daß man es für richtig hielt, dam König kein Vertrauen mehr zu schenken. Im Prinzip ist es also so, daß man den König zwar als Staatsoberhaupt behalten möchte, ihn jedoch nicht ohne Kindermädchen ausgehen lassen möchte.

Es dürfte nicht überraschen, daß die schwedischen Sozialisten durch und durch doppelzüngig sind. Wie obenausgeführt, führte die königliche Reise auch nach Vietnam. Die schwedische Regierung möchte mit diesem Land gute Beziehungen unterhalten. So arbeitet man gut zusammen und Vietnam erhält auch Entwicklungshilfe von Schweden. Im Lob der kommunistischen Regierung Vietnams läßt sich die schwedische Regierung von niemandem übertreffen. Damit bleibt sie ihrer eigenen Tradition treu. In den Tagen von Moi in Kenia und Nyerere in Tansania war letzterer für die schwedische Regierung ein Engel, der den Segen des Sozialismus brachte, letzterer war ein Despot und ein übler Kapitalist. Tatsächlich war keiner der beiden ein Engel, doch das wollten die schwedischen Sozialisten nicht sehen. In ihren Augen sind sozialistische Diktatoren gut und alle anderen schlecht, eine Ansicht, die sich leider weit über die Welt verbreitet hat.

Politiker glauben, daß sie Leute von Welt sind. Leider ist das Gegenteil wahr. Der schwedische Premier Göran Persson war im vergangenen Dezember zum Nobel-Dinner eingeladen. Als führender Politiker wurde er neben Ihre Königliche Hoheit Kronprinzessin Victoria gesetzt. Doch die Teilnahme an einem hochangesehenem Dinner konnte den Politiker nicht fesseln. Sein Handy war ihm wichtiger.

Vor kurzem trafen sich Angehörige der Königshäuser und Politiker in Spanien um den Opfern der Bombenanschläge von 11. März Ehre zu erweisen. Schweden entsandte keine Royals und der Politiker der kam, war der stellvertretende Finanzstaatssekretär. Zur Entschuldigung wurde behauptet, daß in Schweden alle Kabinettsmitglieder von gleichem Range sind. Dies mag auf das egalitäre Schweden zutreffen, doch wenn repräsentiert wird, zählt die Ansicht der Welt.

Kurz nach dem Brunei-Zwischenfall stellte es sich heraus, daß der König sich bei seiner Meinungsäußerung durch ein Memorandum des Schwedischen Außenministeriums anregen ließ. Politiker beherrschen dieses Ministerium, sie also sind letzten Endes für die Äußerung verantwortlich. Der König hat trotzdem nicht versucht, die Politiker so herabzusetzen, wie sie ihn herabgesetzt haben. Hier zeigte sich wahrer Charakter.

Es gibt eine ganze Anzahl von Äußerungen des Königs Karl XVI. Gustav, die als politisch unkorrekt gelten müssen. Vor der Öffentlichkeit sagte er, daß er nicht damit einverstanden ist, daß Kronprinz Philipp in der Thronfolge zurückstehen muß und daß Männer besser für das Herrscheramt geeignet seien. Man könnte zwar einwenden, daß es nicht sehr klug ist, derart kontroverse Äußerungen zu machen für einen König, dessen Hauptaufgabe es ist, ein einigendes nationales Symbol darzustellen. Vielleicht sind auch derartige Äußerungen ein Symptom der Kastration. Derartige Symptome sollten ernst genommen werden. Die beratende Rolle des Königs ist ein Überbleibsel der alten königlichen Rechte und ein nicht geringzuschätzendes.

Viele Leute glauben, daß noch mehr königliche Pflichten und Rechte erfolgreich auf demokratische Politiker übertragen werden können. Die Erfahrung zeigt, daß dem nicht so ist.


Verweise