Die Kartause von Frankfurt/Oder (Ursula Creutz)
- Zum Gedenken an Frau Ursula Creutz, die eifrige und treue Erforscherin brandenburgischen Klosterlebens
Die Kartause von Frankfurt/Oder
Im Jahre 1535 war Kurfürst Joachim I. von Brandenburg gestorben. Sein Sohn Joachim II. zwang die Frankfurter Kartause im folgenden Jahr unter Androhung der Pfändung, acht Pferde, vier Wagentreiber und zwei Wagen für seine Reise zur Vermählungsfeier mit der polnischen Prinzessin Hedwig in Krakau zu stellen.
Im gleichen Jahr nahm er ihnen einen Weinberg in der Stadt und beauftragte seinen Berater Eustachius von Sehlieben, auch den andern Besitz der Kartäuser für die Universität einzufordern und die Mönche durch einen Vogt mit dem nötigen Lebensunterhalt zu versehen. Der Prior, der die Leitung des Klosters nicht ohne Genehmigung der Ordensoberen niederlegen konnte, lehnte ab. Darauf wurde neben dem Klosterpförtner ein zweiter eingesetzt und beide in kurfürstlichen Eid genommen. Mehrere Wochen hindurch durfte niemand das Kloster verlassen. Kurfürstliche Reiter wurden mit Unterbrechung über 20 Wochen lang einquartiert. Sie tranken ein Fuder Weißwein1 aus und verbrauchten fast 12 Wispel Hafer.
Dann erschien Eustachius von Sehlieben abermals und machte den Vorschlag, eine Mauer ziehen zu lassen, wodurch der vom kurfürstlichen Verwalter und seinem Personal bewohnte Teil abgetrennt wäre. Es waren elf Ordenspersonen, davon neun Professen und zwei Novizen in der Kartause. Auch darauf ging Peter Golitz nicht ein. Er schickte die zwei Novizen, die im Kloster waren und zwei weitere, die noch in das Noviziat eintreten wollten, in andere Klöster. Er wandte sich um Vermittlung an die Gemahlin des Kurfürsten Hedwig von Polen, die eine treue Katholikin geblieben war, und suchte sie zweimal persönlich auf.
Er schrieb an den Erzbischof Albrecht von Mainz. Er appellierte an den vom Heiligen Stuhl eingesetzten Protektor des Kartäuserordens und griff endlich Anfang Juli 1538 zum Mittel der Klage beim Reichskammergericht in Speyer. Kaiser Karl V. forderte Joachim II. am 20. August 1538 auf, sich beim Reichskammergericht wegen Landfriedensbruch zu verantworten und gebot ihm bei Reichsacht, dem Kartäuserkloster alle Güter und Besitzungen wiederzugeben. Joachim aber ließ den Prior, den "mutwilligen, ungehorsamen menschen" mitsamt seinem Prokurator Anfang Oktober nach Spandau in Haft bringen, die verschlossenen Klostergewölbe mit Gewalt aufbrechen, und alles, was man an Privilegien, Briefen, Geld, Kleinodien vorfand, dem Frankfurter Stadtrat zur Verwahrung übergeben.
Golitz blieb, sich standhaft verteidigend, sechs Wochen in Gewahrsam, bis es den kurfürstlichen Räten und vermittelnden Freunden endlich gelang, ihn zu einem Übereinkommen, dem "Spandauer Vertrag Joachims II. mit Prior Peter Golitz und gantzem Convent" vom 16. November 1538 zu bewegen, in dem den Kartäusern das Kloster zum Wohnort allein belassen wurde mitsamt den Gärten und dem gegenüberliegenden Weinberg, zwei Dörfern und anderen Einkünften. Doch die drei Bürgermeister von Frankfurt, Hieronymus Jobst, Matthäus Wins und Peter Petersdorf, die der Kurfürst ihnen als Bürgen stellte, damit sie sich bei Nichtzahlung an deren Gütern schadlos halten könnten, weigerten sich nach einigen Tagen, die Bürgschaft zu übernehmen.
Prior Peter schlug dagegen vor, daß wenn er die Klostergüter in seine eigene Verwaltung bekäme, er jährlich Rechenschaft ablegen und von den Überschüssen mehr für die Universität herausschlagen würde als Eustachius von Schlieben, der alles in Grund und Boden wirtschafte. Kurfürst Joachim aber hielt an dem Spandauer Vertrag fest und gab den Bürgermeistern, die darauf am 22. Dezember 1538 den Vertrag mit untersiegelten, die Dörfer Arensdorf, Jacobsdorf, Briesen und weitere für den Fall, daß die Kartäuser bei Nichtzahlung der Rente von ihrem Recht der Schadloshaltung Gebrauch machen sollten. Nachdem 1539 die Reformation in der Mark Brandenburg eingeführt war, übereignete Joachim II. die Güter der Kartause am 3. April 1540 offiziell der Frankfurter Universität.
Peter Golitz blieb Prior von Frankfurt bis zu seinem Tode. Er übernahm daneben 1543 das Prioramt in Hildesheim. Im gleichen Jahr wurde er wiederum zum Visitator der sächsischen Ordensprovinz bestimmt. Er erreichte, daß Kaiser Karl V. am 21. Mai 1545 von Worms aus das Kartäuserkloster zu Frankfurt in seinen besonderen Schutz nahm und ihm alle seine Besitzungen und Rechte bestätigte. Joachim II. wies den Kaiser darauf hin, daß der Prior nie seines Amtes entsetzt oder vertrieben worden sei, daß aber das Kloster als solches nicht mehr lebensfähig sei. Die fünf alten Mönche, die noch darin lebten, hätten über keinen Mangel zu klagen.
Peter Golitz starb am 5. Oktober 1551. Von ihm heißt es bei Le Vasseur: "Petrus, Prior von Frankfurt, ein Mann von hervorragender Bildung und Frömmigkeit und außerordentlichem Eifer im katholischen Glauben und im Ordensleben … hat unglaubliche Mühen auf sich genommen, um die Ordensobservanz und den katholischen Glauben gegenüber den Lutheranern zu verteidigen; dafür verdient er das höchste Lob. In diesem Sinne ermahnte ihn offenkundig das Generalkapitel im Jahre 1546, wenn es dort heißt: er möge tapfer handeln und vollenden, was er gut begonnen habe; dann werde er reiche Belohnung von Gott, dem Herrn erlangen“.
In Frankfurt folgte auf ihn Prior Simon Kraus. Nach diesem Georg Preuß als letzter Prior. Die zum Aussterben verurteilten Kartäuser, die im Kloster lebten, hielten an ihrer Ordensregel fest und ließen sich noch 1559 von dem neuen Kaiser Ferdinand I. den Schutzbrief, den ihnen Karl V 1545 ausgestellt hatte, erneuern. Sie reichten weiter an Notleidende Speisen. Ihr Asyl blieb auch nach der Enteignung bestehen. Der Familie ihrer Wohltäter und Stifter Belkow blieben sie bis zu deren Ende treu. Hafftitz erzählt in seinem Microcronicon: "vnd ist der Letzte Anno Christi 1547 bey meiner Zeit, als Ich daselbst studirt, ein gar altes betagtes Menlein mit seinem Weibe von Cartheusern zu Frankfurt gespeist vnd vnterhalten worden. Dieweil sie das Carthaus gestifft vnd (wie man sagt) viel dazu sollen gegeben haben“.
Als Nuntius Commendone 1561 nach Frankfurt kam, besuchte er am 22. Februar auch das Kartäuserkloster. Der Sekretär des Nuntius, Antonio Maria Graziani, hat einen Bericht darüber hinterlassen, wie sie dort drei hochbetagte Mönche vorfanden, die voll Freude waren, sie zu sehen, da sie dreißig Jahre lang aus ihren Klostermauern nicht herausgekommen wären, aus Furcht wegen ihrer Ordenskleidung, die sie nie abgelegt, vom Volk gesteinigt zu werden. Es sei ihnen wunderbar und unbegreiflich vorgekommen, einen apostolischen Nuntius zu sehen, hier, wo seit so langer Zeit nicht einmal der apostolische Name gehört worden sei. Grazianus lobte ihre gute Kenntnis des Lateinischen.
Auch der Bologneser Advokat Fulgentius Kuggieri, der die Legationsreise des Nuntius Commendone 1561 mitmachte, berichtet ähnlich: "Das Volk in Frankfurt ist ganz der Häresie verfallen, und es gibt dort nur noch zwei katholische Brüder der Kartause und einen alten Priester, die zusammen nahe bei der Stadt in einem Kloster leben, wo ehedem viele Kartäuser waren, denen die Einkünfte fortgenommen wurden, so daß einige abfielen und ein Teil die Flucht ergriff. Nur jene beiden sind immer dort geblieben und haben immer die Messe zelebriert trotz der vielen Todesdrohungen oder auch Vermögensversprechungen, um sie vom katholischen Glauben abspenstig zu machen. Das haben sie gänzlich abgelehnt und viel lieber mit harter Mühe ihr Brot verdienen wollen, wenn auch mit Beschwerden als in irgend einem Punkte ihren Glauben aufzugeben. Monsignore besuchte sie in diesem Kloster, wo wir die Messe hörten.“
Gegenüber dem Gerücht, daß einige Kartäuser abgefallen und ein Teil die Flucht ergriffen habe, steht das Urteil des Historikers: "Obwohl Gegenteiliges behauptet wurde, ist im Frankfurter Kartäuserkloster keine Lockerung der Zucht nachzuweisen, ebensowenig ein Entweichen der Mönche. Die 1534 bezeugte geringe Zahl von sieben Mönchen und zwei Konversen kann ebenso gut in einem Rückgang des Nachwuchses ihren Grund haben. Es gelang dem Prior sogar noch in den letzten Jahren, Novizen für das Kloster zu werben.“ Noch im Oktober 1564 wurde im Kartäuserkloster Messe gelesen. Der letzte Prior Georg Preuß starb zwischen 1564 und 1567, bis an sein Lebensende tätig. Was er "durch seinen vleis, mhue vnd arbeidt“ erspart hatte, vermachte er den Kartäuserklöstern zu Köln und Hildesheim und zur Stiftung eines ewigen Almosens "pro pauperibus Christi“.
Eine aus der Klosterzeit stammende Darstellung der Kartause findet sich auf dem Holzschnitt von Sebastian Münsters Kosmographie um 1550, vorüber H. Bahlow ausführlich berichtet. "Der Closter guter durstig“ ließ Dr. theol. Andreas Musculus, 1572 um Steine zu verkaufen, die Klosterbauten und Mönchszellen einreißen. Heute ist von der ganzen Anlage nichts mehr erhalten. Doch noch 1940 waren nach der Angabe von H. Grimm allein in der Frankfurter Marienkirchbücherei mehr als 25 Handschriften und Frühdrucke, darunter zahlreiche von Mentelin in Straßburg, die dem Frankfurter Kartäuserkloster entstammten. Auch die Universitätsbibliothek in Breslau besaß eine Reihe Drucke aus dessen Bestand. Von den fünf bekannten Siegeln der Kartause zeigt das große parabolische Klostersiegel Christus als Schmerzensmann mit Geißel, Rute und Dornenkrone.