Daily Telegraph Gespräch

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Die Daily-Telegraph-Affäre war ein Staatsskandal im Deutschen Kaiserreich.


Entstehung

Auslöser des Skandals waren mehrere private Gespräche mit Oberst Wortley, die Wilhelm während eines Urlaubsaufenthaltes in England führte (Wilhelm war Enkel der Königin Victoria und Englisch seine zweite Muttersprache). Oberst Wortley faßte diese Gespräche zu einem künstlichen Interview zusammen und ließ es dem Daily Telegraph zukommen. Dort schickte man das Manuskript nach Berlin und bat um Bestätigung.

Eigentlich wäre Reichskanzler Bülow die Aufgabe der Bestätigung zugekommen. Da dieser jedoch im Urlaub weilte, leitete er das ihm zugeschickte Papier angeblich ungesehen weiter. Da sein Pressechef Otto Hammann aber ebenfalls im Urlaub war, landete der Artikel auf dem Schreibtisch eines kleineren Beamten des Auswärtigen Amtes, der bestätigend unterzeichnete.

Die internationale Empörung über das Interview entzündete sich vor allem an vier Behauptungen des Kaisers:

  1. die Aussage, er gehöre zu einer englandfreundlichen Minderheit in Deutschland,
  2. er habe ein russisch-französisches Vorgehen gegen England im Burenkrieg nicht nur abgelehnt, sondern dies auch Queen Victoria mitgeteilt,
  3. durch seinen Schlachtplan sei der Burenkrieg gewonnen worden
  4. der deutsche Flottenbau würde sich nicht gegen England, sondern gegen die Fernost-Staaten richten

Folgen

Dies führte im Folgenden zu einer veritablen Staatskrise, in deren Verlauf der Reichskanzler seinen Rücktritt anbot und Teile der Öffentlichkeit die Abdankung von Wilhelm II. forderten. Das schon lange schwelende Missbehagen selbst kaisertreuer Kreise an dem "persönlichen Regiment“ Wilhelms brach sich Bahn und mündete in die Forderung, der Kaiser solle sich mit der Rolle eines gemäßigt auftretenden konstitutionellen Monarchen begnügen.

Im Nachgang fiel auf, daß sich im Reichstag und in der Öffentlichkeit alle politischen Parteien über den Kaiser empörten, inklusive der Konservativen. Auch der Kanzler distanzierte sich vom Kaiser, um so zugleich von seinem eigenen Versagen bei der Durchsicht des Interviews abzulenken. Diese Entzweiung war, trotz eines vermittelten Gespräches, Ausgangspunkt für Bülows Entlassung am 14. Juni 1909. Auch der Kaiser zog zumindest gewisse Konsequenzen aus dem Skandal: Während er bis zu diesem Zeitpunkt immer wieder gerne "auf die Pauke gehauen“ hatte (z. B. mit seiner "Hunnenrede“), hielt er sich in den folgenden Jahren mit martialischen Äußerungen deutlich zurück.


Verweise