Binäre Mathematik und Demokratie
- Ein Aufsatz von Jörn K. Baltzersen
- Geschrieben im Jahre 2003
Was sagt die binäre Mathematik zur Demokratie?
Der dänische Poet und Mathematiker Piet Hein hat bekanntlich gezeigt, daß immer dann, wenn sich zwei Menschen eine Verantwortlichkeit teilen, für jeder der beiden nur 1 % der Gesamtverantwortung übrig bleibt.
Dieser Satz kann auf die Verantwortung in der Demokratie angewendet werden. Wenn man Verantwortlichkeit zu gleichen Teilen zwischen zwei Menschen aufteilt, so beträgt die Gesamtverantwortung 2 mal 10 hoch -2 oder 2 Prozent. Man kann das Theorem auch auf mehr Personen anwenden, wenn deren Anzahl als 2n ausgedrückt werden kann und n eine positive ganze Zahl ist. Wird die Verantwortung durch 4 geteilt, dann ist die Verntwortung für jeden 4 x 10 hoch -4 = 0,04%. Wenn nun die Anzahl der Personen 8 ist, dann ist das Maß an Verantwortung 0,000008%.
Wenden wir das soeben formulierte Gesetz auf den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten von Amerika an. Der oberste Gerichtshof hat neun Mitglieder, das Gesetz kann also nicht angewendet werden. Doch leuchtet wohl ein, daß bei neun Richtern jeder dieser Richter noch weniger Verantwortung hat als wären es acht Richtern, was zu wenig Hoffnung Anlaß gibt. Sicherlich gibt es viele Amerikaner, die fühlen, daß das Verantwortungsgefühl des Gerichtshofs für die Werte der US-Verfassung nur gering ausgeprägt ist. Piet Heins Gedanken, die binäre Mathematik und die Realität scheinen sich hier in Harmonie zu befinden.
Wenn Sie denken, daß die obigen Zahlen erschreckend klein sind, dann wenden Sie sie das Gesetz auf den US-Senat an, das Unterhaus oder den US-Kongreß als Ganzes an. Wenn Sie diese Zahlen errechnet haben, dann sind Sie so weit, daß sie das Gesetz auf die gesamte Wählerschaft einer Massendemokratie wie der USA anwenden können. Sie könnten einwenden, daß die USA eine Republik ist und keine Demokratie. Aber die föderative Republik der Gründer gibt es nicht mehr und das System, das wir heute haben ist im Wesentlichen eine Massendemokratie, egal ob Ihnen das gefällt oder nicht.
Sie könnten auch einwenden, daß die Inhaber öffentlicher Ämter der Öffentlichkeit Verantwortung schulden und daß man die einfachen Leute nicht verantwortlich machen kann. Warum sollte das so sein? Kann nicht die Macht, Leute in öffentliche Ämter zu hieven, großen Schaden anrichten? Warum sollte man mit dieser Macht nicht auch Verantwortung verbinden? Kuehnelt-Leddihn beschrieb den demokratischen Wähler folgendermaßen: "Er handelt geheim, in vollständiger Anonymität und in legaler Verantwortungslosigkeit.“[1] Die Leute beschuldigen die Politiker. Die Politiker beschuldigen sich gegenseitig und sie beschuldigen die Bevölkerung, was als Bewerbung um Wahlmandate bekannter ist.
[[Winston Churchill wird regelmäßig zitiert, wenn Demokratiekritik laut wird. Kuehnelt-Leddihn weist aber darauf hin, daß Churchill lediglich die Überlegenheit der liberalen Demokratie über all die anderen experimentellen Staatsformen behauptete: "Der erwachsene Churchill glaubte nie an die Demokratie, am wenigsten nach dem Mai 1945. Man hat, wie so häufig aus dem Zusammenhang gerissen zitiert. Churchill bezog sich lediglich auf die Überlegenheit der (liberalen) Demokratie allen anderen Staatsformen gegenüber, die von Zeit zu Zeit ausprobiert werden. Er wußte nur zu gut, daß die Demokratie ein kurzes Zwischenspiel der Weltgeschichte ist und bezog sich insofern nur auf die evrschiedenen anderen Spielarten linker Tyrannei.[2]
Ich selbst lebe in einer Monarchie[3] am Rande Europas, fern des Kontinents. Deshalb möchte ich Ihnen eine Geschichte aus unserem Kabinett erzählen.
Es geschah in den 1970er Jahren. Der König Olav V. hatte in der Zeitung von der geplanten Gurtpflicht gelesen. Jeder, der auf dem Vordersitz eines Auto sitzt, sollte gezwungen werden, sich anzuschnallen. Seine Majestät fragte dann, ob die Frage der persönlichen Freiheit bei der Untersuchung dieser Angelegenheit ausreichend erörtert worden sei. Etwas später stand die Vorlage auf der Tagesordnung des Kabinetts. Der König gab seine Zustimmung, was jedermann für seine konstitutionelle Pflicht hält. Und ihm wurde eine Ausnahmengenehmigung durch die Polizei erteilt, eine Genehmigung, der er nicht bedarf, denn die Verrfassung garantiert ihm Immunität und Straflosigkeit, ein Teil der Verfassung, der tatsächlich beachtet wird.
Die Norwegische Verfassung legt fest, daß die Exekutivgealt beim Monarchen liegt. Doch in der Realität ist das nicht mehr so, ein Wandel, der nicht in die Verfassung einging. Ernnert das nicht sehr an die politische Geschichte der Vereinigten Staaten? Konfutius sagte, daß wenn die Worte ihre Bedeutung verlieren, die Menschen ihre Freiheit verlieren.[4]
Der Fürst von Liechtenstein dient als Beispiel eines Monarchen mit tatsächlicher Macht.[5] Doch ist er der Bevölkerung verantwortlich. Diese hat ein verfassungsmäßig verbrieftes Recht, seine erhabene Hoheit vom Throne zu stürzen und die Monarchie zu beseitigen. Dieses Recht macht Liechtenstein letztendlich zur Demokratie. Trotzdem nimmt seine fürstliche Hoheit seine Obliegenheiten ernster als die meisten gewählten Politiker. Piet Hein’s Axiom und die binäre Mathematik zeigen in Liechtenstein nicht die Erosion von Verantwortlichkeit, die wir oben beschrieben haben.
Verweise
Einzelnachweise
- ↑ Erik M. R. von Kuehnelt-Leddihn: Liberty or Equality.
- ↑ Erik M. R. von Kuehnelt-Leddihn: Liberty or Equality.
- ↑ For some counterbalance against the common belief that democracy is an advance over monarchy see idem, Liberty or Equality, idem, Leftism Revisited, and Hans-Hermann Hoppe, Democracy: The God That Failed.
- ↑ [2] p. 30.
- ↑ See also Karen De Coster, Will Liechtenstein’s Autonomy Prevail?